„Ich werde gerne bis zum Ergebnis dieser Prüfung vorübergehend, ich betone vorübergehend, auf die Führung des Titels verzichten.“
Diese Erklärung hat der Bundesverteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg heute früh abgegeben. Es geht um die Plagiatsvorwürfe, denen er sich in Bezug auf seine Promotion ausgesetzt sieht.
Wie schon im Fall von Helene Hegemann im vergangenen Jahr entspannen sich an dieser Debatte einige Begriffsverwirrungen. Die (von mir interviewte) Plagiatsforscherin Debora Weber-Wulff schreibt unter dem (entlehnten) Titel Freiherr zu Copy and Paste über das plötzliche mediale Interesse, das dem Thema nun entgegen schlägt.
Schöne Überschrift aus der FAZ:
Einen Text habe ich dabei mit besonderer Verwunderung gelesen. Es handelt sich um den (im Netz mittlerweile gelöschten) Beitrag Der unvermeidliche Rücktritt aus dem Handelsblatt. Darin bezichtigt Dr. Rüdiger Scheidges den Bundesminister des Diebstahls geistigen Eigentums, er schreibt in den USA werde das Abkupfern gar als Todsünde angesehen. Gerne hätte ich den Text genauer zitiert, er ist aber eben leider nicht mehr zu finden.
Meine Verwunderung leitet sich aus den gleichen Gründen her, die auch schon in der Debatte um den vermeintlichen Diebstahl bei der Nutzung von Tauschbörsen für Unklarheiten sorgten. Vielleicht (einiges spricht dafür) hat der Bundesminister sich mit fremden Federn geschmückt (manche sagen betrogen), ganz sicher hat er aber nichts gestohlen. Diese falsche Rede vom Diebstahl (war hier schon an unterschiedlichen Stellen Thema) ist irreführend und hilft nicht weiter. Guttenberg hat offenbar die wissenschaftlichen Regeln gebrochen, das führt zu einem massiven Vertrauensverlust und man muss gar nicht die Vorbildfunktion der Politik anführen, um festzustellen, dass es zu einem Erdrutsch an Universitäten und in Lehrveranstaltungen führen würde, würde man dem Bundesminister etwas durchgehen lassen, was Studierenden verboten bleibt.
Dennoch müssen wir uns darüber bewusst werden, dass die Diebes-Begrifflichkeit untauglich ist. Michael Hutter schrieb im März 2010:
Geistige Inhalte sind öffentliche Güter, das heißt, sie können von vielen gleichzeitig genutzt und sie können leicht erschlichen werden. Darin liegt ein Problem. Aber dieses Problem lässt sich erst lösen, wenn die falsche Rede vom Diebstahl einer Sache aufhört.
Es wäre also gut, wenn man statt der blanken Beschimpfung auf eine sachlichere Ebene zurückkehrt. Es geht nicht darum, zu Guttenberg zu verteidigen. Es geht darum, das richtiges Kopieren zu lernen!
P.S.: Hier nochmal zur Erinnerung:
Update: In der SZ kommentiert Heribert Prantl die halbgare Entschuldigung des Ministers, die die inhaltlichen Fehler der Promotion noch verschlimmert:
Das Plagiat ist ein Schatten, der so tut, als handele es sich um den Körper. Das kann funktionieren, solange die Sonne passend steht. Das tut sie nicht mehr. Guttenberg hat nicht nur in seiner Doktorarbeit Fehler gemacht, sondern auch mit der selbstherrlichen Art, wie er damit umgeht.
2 Kommentare
Die Diebstahl-Verfolger leben wohl mehr in der Aufmerksamkeitsökonomie, als ihnen selbst bewusst ist. Streng nach Franck wäre ein Kopieren bzw. Zitieren ohne Angabe ein Diebstahl, da man dem Urheber nicht den angemessenen Betrag an Aufmerksamkeit zukommen lässt.
Ansonsten hast Du natürlich Recht. Immer wieder verwunderlich, wie schlampig Menschen mit Worten umgehen, obwohl eine gewisse Sorgfalt Teil ihres Berufes sein sollte.
Es geht nicht um Diebstahl (klingt natürlich immer so herrlich schön plakativ und griffig, geradezu biblisch: „du sollst nicht stehlen“), sondern wie es mit dem Verhältnis von eigenen Leistungen (und der eigenen Selbstständigkeit) im Verhältnis zu fremden Leistungen bestellt ist. Das ist auch in der Politik und an der Spitze einer Verwaltung keine unwichtige Frage, die Vorleistungen anderer zu würdigen.
Und Aussagengehalte von anderen Personen sollen in der Wissenschaft kopiert werden (in Form des Zitats), um dann kritisiert oder gewürdigt zu werden. Das bisher verhältnismäßig ungetrübte Ansehen von Guttenberg hat auf jeden Fall einen schwer reparierbaren Schaden erlitten. Bedingungslos wird ihm nun vielleicht nicht mehr vertraut. Vertrauen sollte eben auf (erbrachte) Leistungen, weniger sich auf Status gründen oder spekulativ unterstelltes Potential.
Neue Maxime: „Du sollst Zitat und das Zitieren ehren“, „zitiere, wie Du auch selbst zitiert werden möchtest“.