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Was ist online möglich, wenn der direkte Austausch nicht mehr klappt? Mit dieser Frage befasst sich eine kleine Serie, die ich im Rahmen der Corona-Ausnahmesituation gestartet und mit zehn Lehren beschrieben habe. Folge 3: Therapie im Stream (Foto: unsplash)[/white_box]
Imke Herrmann und Lars Auszra sind Psychotherapeuten und Coaches in München. Seit die Corona-Krise den direkten Kontakt untersagt, führen sie viele Gespräche übers Internet.
Ihr macht jetzt etwas, das Ihr vorher im direkten Austausch mit Menschen gemacht habt, über eine digitale Verbindung. Habt Ihr Euch schon dran gewöhnt? Bzw. Was irritiert Euch immer
noch?
Lars: Wir haben das teilweise auch schon vorher gemacht. Jetzt machen wir es natürlich in größerem Umfang. Mich stresst, dass die Technik nicht immer reibungslos funktioniert. Wenn
zum Beispiel das Bild einfriert, wenn gerade jemand weint.
Imke: Ja, das macht es manchmal anstrengend, wenn mitten im Gespräch plötzlich die
Verbindung weg ist und das eingefrorene Bild eines streitenden Paares sieht und man nicht
mehr eingreifen kann. Außerdem kostet es mehr Energieaufwand, um die gleiche Gesprächstiefe herzustellen.
Was war die größte Hürde, die Ihr überwinden musstest?
Lars: Ich finde, die wichtigste Hürde ist in mir: Erlaube ich mir mit der gleichen Intensität auf emotionale Themen zu fokussieren oder nicht?
Imke: Ja, das hat manchmal Aspekte einer gefühlten Normverletztung. Man macht etwas, was
man sonst zum Beispiel in einem Skype-Gespräch nicht macht. Allerdings ist unsere Erfahrung:
wenn wir es mit einer gewissen Selbstverständlichkeit tun, ist es teilweise nicht anders als
vorher live in der Sitzung.
Gibt es etwas, das jetzt besser ist als vorher?
Imke: Manche Patienten, gerade die, die eher Probleme mit Nähe haben, finden es sogar
besser, die sagen teilweise: Können wir das nicht so lassen?
Lars: In Einzelfällen könnte es auch Sinn machen, es fortzuführen, aber die Frage ist halt auch: Nimmt man Ihnen so nicht auch eine Entwicklungschance?
Etwas anderes, das ich positiv finde ist: Es schafft gerade mit den Menschen, mit denen wir
schon länger arbeiten, auch eine neue Form der Verbundenheit in dieser Krise bei denen zu
Hause aufzutauchen. Ich finde es vertieft die Beziehungen.
Im direkten Austausch gibt es stets irgendeine Form von Rückmeldung, eine Stimmung im
Raum. Wie löst Ihr das Problem, dass das online nur sehr viel schwieriger wahrzunehmen ist?
Lars: Interessanterweise empfinde ich das gar nicht so, zumindest bislang nicht. In unserer Arbeit fokussieren wir sehr auf das emotionale Erleben des Patenten, somit ist das ohnehin sehr präsent.
Imke: Die wichtigste Quelle hierfür ist neben dem was gesagt wird, explizit oder implizit, zwischen den Zeilen, ja der Gesichtsausruck und den sieht man sogar noch deutlicher.
Lars: ein wenig stört, dass man sich nicht direkt in die Augen sehen kann, aber trotzdem erlebe
ich in besonders emotionalen Moment dennoch ein Gefühl der Verbundenheit.
Welchen Ratschlag würdet Ihr jemandem geben, die/der jetzt auch ins Online-Streaming
einsteigt?
Imke: Gerade in unserem Bereich: Unbedingt ein Backup haben, also die Möglichkeit, den
anderen schnell übers Telefon zu erreichen, falls die Verbindung zusammenkracht.
Lars: Und mir scheint, gerade wegen dem fehlenden Augenkontakt, ist es wichtig seine Präsenz sehr aktiv verbal zu kommunizieren, sich nicht darauf zu verlassen, dass der andere an unserem Gesichtsausdruck merkt, dass wir „da“ sind, wirklich zuhören.
Zum Abschluss: Könnt Ihr noch kurz erklären, wie (also mit welcher Soft-/Hardware) Ihr jetzt online geht?
Imke: Über ein von der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV) zugelassenen und zertifizierten Videodienst für Ärzte und Therapeuten: sprechstunde.Online von der Deutschen Arzt AG. Jetzt in der Krise ist der sogar umsonst.
Für das Blog Coronapause.de habe ich Imke und Lars zum Thema Stress in der Familie befragt. Ihre Praxisgemeinschaft für Psychotherapie ist in München-Neuhausen.
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Dieser Fragebogen ist Teil einer kleinen Serie hier im Blog, die sich mit Streaming und Video-Konferenzen befasst. Wenn du wegen der Corona-Krise auch auf Streaming umgestellt hast und darüber sprechen möchtest: melde dich bei mir!
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