Achtung: es bewegt sich was. Die vergangenen Tage haben an unterschiedlicher Stelle gezeigt: Die Debatte ums Urheberrecht kommt in Fahrt (und das hat nichts mit den Piraten zu tun). Das ist erstaunlich denn die Debatte ist nicht nur – wie die taz feststellt – „neuerdings auf hohem Niveau“, sie wird auch an unterschiedlichen Ecken geführt.
Besonders erstaunlich finde ich die Auseinandersetzung auf europäischer Ebene, die heute in einem Blogpost der niederländischen EU-Kommissarin Neelie Kroes gipfelte, die zur Frage Is copyright working? schrieb.
Zunächst ein Blick auf die Auseinandersetzung in Deutschland, die von einem Die Leistungsschutzgelderpresser betitelten Beitrag in Konkret eingeleitet wurde. Darauf antwortet Mark Chung (Vorstandsvorsitzender des Verbandes unabhängiger Tonträgerunternehmer, VUT) in einem offenen Brief, der bei Spreeblick veröffentlicht wurde. Marcel Weiss wiederum hat dazu auf neunetz.com ein paar sehr kluge Anmerkungen verfasst. Dabei bringt er seine These wie folgt auf den Punkt:
Um tatsächlich das Urheberrecht, wie es im 19. Jahrhundert erdacht wurde, auch im 21. Jahrhundert durchzusetzen, müssen online Bürgerrechte beschnitten werden.
Und während ich das las, bzw. noch darüber nachdachte, was das bedeutet und welchen Konflikt dies in eine Gesellschaft legt, kam von Washington aus die Debatte um den Stop Online Piracy Act auf. Dieses US-amerikanische Gesetzesvorhaben empört aktuell digitale Bürgerrechtler und auch zahlreiche namhafte Netzfirmen weil es unangemessen genau das tut, was Marcel Weiss beschreibt: Es beschneidet Bürgerrechte – um Copyright durchzusetzen. Es gibt an dem Gesetzesvorhaben noch eine Menge mehr zu kritisieren, aber der beschriebene Konflikt zwischen Verwerterinteressen und Grundrechten liegt ihm genauso zugrunde wie auch dem ACTA betitelten Abkommen, das in diesem Winter im Europa-Parlament hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.
Womit wir auf der europäischen Ebene angekommen sind. Dort brachte die für digitale Fragen zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes mit einer Rede im französischen Avignon am Samstag Fahrt in die Urheberrechtsdebatte. In der „Who feeds the artist?“ betitelten Ansprache bezeichnete sie das Copyright als Hasswort und beschrieb ein Durchsetzungs- und ein Akzeptanzproblem des Rechtsgebiets. Das sorgte für eine Menge Verweise am Wochenende auf Twitter.
Erstaunlich fand ich jedoch wie sie zu mehr Kreativität im Ausbau des Urheberrechts fürs digitale Zeitalter aufrief. Sie sagte:
There are many new ideas out there – ideas, for example, like extended collective licensing as practised in Scandinavia, or other ideas that seek to both legitimise and monetise certain uses of works. Are these ideas the right ones to achieve our goals? I don’t know. But too often we can’t even try them out because of some old set of rules made for a different age – whether it is the Berne Convention, the legislation exceptions and limitations on the VAT Directive or some other current law. So new ideas which could benefit artists are killed before they can show their merit, dead on arrival. This needs to change.
Untermauert hat sie dies mit ihrem Is copyright working? Blogpost von heute. Eine gute Frage, deren Antwort vielleicht eine Reform des Urheberrechts nach sich zieht, das Modelle mit der digitalen Kopie ermöglicht statt gegen sie.