Vom 18. bis 21. Juli zeigen Studierende der Fakultät für Design der Hochschule München ihre Abschlussarbeiten im Zeughaus in München. Mit dabei auch die Arbeit von Kristina Gleißner, die zu so genannten Zwischensichtbarkeiten gearbeitet hat. Der Titel ihrer Arbeit: „Zwischen Zensur und digitaler Bildkultur – über die ominpräsente Bilderflut, algorithmische Bildlöschung und eine neue Ästhetik der Zwischensichtbarkeit“. Durch die Einladung von Prof. Markus Frenzl zum Meme-Vortrag bin ich mit der sehr guten Arbeit in Kontakt gekommen – und habe Kristina ein paar Fragen zum Thema gestellt.
Du hast deine Masterarbeit an der HM München über digitale Bildkulturen geschrieben. Im Titel taucht der Begriff „Zwischensichtbarkeit“ auf. Kannst du mal erklären, was damit gemeint ist?
Unter dem Begriff Zwischensichtbarkeit untersuche und kategorisiere ich in der Arbeit Bildphänomene aus dem digitalen Raum, die sich zwischen der omnipräsenten Bilderflut und der unsichtbaren Bildlöschung befinden. Konkret sind damit Bildphänomene gemeint, die durch diverse visuelle Strategien und Praktiken versuchen Zensureingriffe zu umgehen.
Wie bist du auf das Thema gekommen?
Das Thema Zensur begleitet mich schon seit Beginn des Studiums. Im Rahmen eines Semesterprojekts beschäftigte ich mich mit Internetzensur und sensiblen Suchbegriffen. Dabei stieß ich auf ungewöhnliche Schlagwörter, deren Zensur ich als absurd empfand. Ich recherchierte und lernte, dass hinter einigen dieser Begriffe komplexe sprachliche Bilder oder Code-Wörter steckten, die die Bedeutung der Begriffe in einen ganz neuen Kontext setzten. Dabei entstand dann die Idee, mich mit Umgehungsstrategien auseinander zu setzen.
Ich interessiere mich sehr für die Mechanik von Memes, bei der durch Kontextbrüche und Umdeutungen Botschaften transportiert werden. Dieses Phänomen hast du auch in deiner Arbeit untersucht. Welches Beispiel hat dir dabei besonders gefallen?
Mein Lieblings-Meme und gleichzeitig eines der ersten Bildphänomene, auf das ich während meiner Recherche aufmerksam geworden bin, ist das Winnie Pooh Meme, welches vor allem auf chinesischen Plattformen verbreitet ist. Dort wird der gelbe Zeichentrick-Bär aufgrund der vermeintlichen äußerlichen Ähnlichkeit mit Staatspräsident Xi Jinping verwendet, um sich kritisch über die Regierung zu äußern. Besonders beliebt sind dabei die Erstellung von Image Macros oder Vergleichsdarstellungen. Bis heute wird versucht die Verbreitung der Memes einzudämmen, um die Autorität der Regierung zu schützen. Trotz der unzähligen Zensur-Versuche wurde der Bär zu einer Art Protestsymbol und ist gleichzeitig auch ein Beispiel dafür, wie einflussreich digitale Bildproteste auf die analoge Welt sind. Sogar die Ausstrahlung einer Realverfilmung des Winnie Pooh Universums aus dem Jahr 2018 wurde in China als Reaktion auf die Memes verboten.
Wenn man die anderen Beispiele anschaut, könnte man den Eindruck bekommen, Zensur sei vielleicht sogar kreativitätsfördernd. Siehst du das auch so?
Ja in diesem Kontext absolut! Das paradoxe Phänomen, dass Verbotenes oder Verborgenes umso mehr Aufmerksamkeit, Neugierde und sogar Faszination auslöst, ist ja allgemein bekannt. Gleichzeitig beobachte ich vor allem bei Bildprotesten, die im Kern mehr Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit und Transparenz fordern, einen sehr innovativen, auffälligen, künstlerischen und humoristischen Umgang mit ihren Themen und Anliegen. Oft wird dabei auch bewusst mit Elementen der Provokation gespielt.
Wie geht es jetzt weiter mit deiner Arbeit?
Im Rahmen der Masterarbeit konnte ich natürlich nur eine begrenzte Auswahl an Beispielen sammeln. Da mir mittlerweile aber sogar im Alltag immer wieder neue Phänomene begegnen, habe ich mich dazu entschieden meine Sammlung stetig zu erweitern. Ich bin gerade dabei ein digitales Archiv in Form einer Website zu gestalten.
Kristinas Arbeit mit dem Titel „Zwischen Zensur und digitaler Bildkultur – über die ominpräsente Bilderflut, algorithmische Bildlöschung und eine neue Ästhetik der Zwischensichtbarkeit“ wird vom 18. bis 21. Juli im Rahmen der Jahresausstellung der Fakultät für Design an der Hochschule München gezeigt.