Vielleicht hat Merz mehr verloren als gewonnen – über das Scheitern der Kommunikation der Union

Ich habe hier vor ein paar Wochen über die Kommunikations-Strategie der Union geschrieben. Mir erschien (und erscheint weiterhin) unklar, auf welche Art der Kanzlerkandidat von CDU & CSU Botschaften an welche Zielgruppen sendet.

Jetzt hat Friedrich Merz die Wahl gewonnen. Scheinbar, denn vor dem Hintergrund der Analyse der Wahlergebnisse muss man sagen: Vielleicht hat Merz mehr verloren als gewonnen. (Foto: Unsplash)

Wenn die Behauptung stimmt, die Markus Söder im Laufe des Wahlkampfs aufgestellt hatte und die Ampel-Koalition tatsächlich „die schlechteste Regierung“ war, die „Deutschland je hatte“, dann muss die Frage erlaubt sein, ob die größte Oppositionspartei nicht mehr erreichen sollte als das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte.

Meine Kritik bezieht sich dabei gar nicht so sehr auf das Abschneiden der Union im Gänze (Nico Semsrott rechnet vor, dass sie beim Ampel-Aus noch bei 37%-Punkten stand) sondern eher auf auf die Frage: Hat sich die Eskalation in der Migrationsfrage gelohnt?

Zumindest aus Perspektive von CDU/CSU und Friedrich Merz muss man sagen: Nein – die Kommunikationsstrategie ist gescheitert.

Ich hatte in meinem Beitrag vom 30. Januar Zeitpunkt, Inhalt und Zielgruppen-Ausrichtung des Bundestags-Beschluss‘ kritisiert, der im Anschluss zu einer gemeinsamen Abstimmung mit der AfD-Fraktion führte. Mit Blick auf die Analyse der so genannten Wählerwanderung möchte ich vor allem die Ausrichtung auf bestimmte Wähler-Gruppen untersuchen. Wenn Merz das Ziel gehabt haben sollte, Wählergruppen, die eher zur AfD neigen, für sich zu gewinnen, dann findet man in den Zahlen keine Belege dafür, dass er gewonnen haben könnte. Mehr noch: Die Wählerwanderung legt nahe, dass Merz‘ Strategie im Gegenteil der AfD eher genützt als ihr geschadet haben könnte.

Nicht nur hat die Union über eine Million Stimmen an die AfD verloren. Es sind zusätzlich fast zwei Millionen Nichtwähler zur Wahl gegangen und haben für die AfD gestimmt. Beides würde belegen, was ich im Januar schrieb: „wer der oben beschriebenen Zielgruppe derjenigen angehört, die sich weit rechts von der Union verortet, bekommt ebenfalls eine Botschaft, die nur eine Abkehr von CDU/CSU nach sich ziehen kann. Denn durch die gemeinsame Abstimmung mit der AfD hat die Union vor allem eins signalisiert: Stimmen für die AfD sind plötzlich nicht mehr per se macht- und folgenlos. Sie zählen auf einmal etwas im politische Spektrum.

Fast zwei Millionen bisherige Nicht-Wähler:innen haben diese Botschaft offenbar verstanden – und für die AfD gestimmt.

Umgekehrt sind allerdings gar keine AfD-Wähler zur Union gekommen. Die Balken, die zwischen den Parteien Bewegung anzeigen sollen, bleiben zwischen Afd und Union aus. Es handelt sich dabei um die bemerkenswertes Null dieser Wahl: Es gab offenbar keine Migration von Wähler:innen der AfD zur Union!

Das muss man hier nochmal festhalten, immerhin hatte Merz 2018 angekündigt, die AfD halbieren zu wollen. Und immerhin schien ja genau darauf die Abstimmung im Bundestag zu zielen: bisherigen AfD-Wähler:innen zu signalisieren, dass die Union etwas bewegen und damit für sie attraktiv werden würde. Wenn nun genau dieser Wählerwanderungs-Pfad völlig unbenutzt bleibt, ist das vermutlich kein Beweis für eine erfolgreiche Strategie.

Dafür ist ein anderer Pfad bemerkenswert: 70.000 Wähler:innen, die 2021 noch Union gewählt hatten, gaben ihre Stimme am Sonntag der Linkspartei. Micky Beisenherz kommentierte diese Entwicklung mit den Worten: „Noch zwei Wochen Wahlkampf von Friedrich Merz, und die Linke hätte die absolute Mehrheit geholt.“

Mir geht es bei dieser Analyse nicht in erstert Linie um eine politische Frage. Dass Merz – wie Robert Habeck es heute bei seinem Abschied formuliert hat – an einer Verschiebung des politischen Spektrums mitgewirkt und einer Normalisierung der AfD zugearbeitet hat, kann und muss man auch politisch kritisieren. Erschütternd ist aber, warum das geschehen ist. Nicht nur ohne äußere Not, sondern vor allem ohne wirkliches Ergebnis! Mich hatte bei meinem Ursprungsbeitrag vor allem die Frage interessiert: Beherrscht die Union das Handwerk der Kommunikation?

Nach Analyse der Ergebnisse muss man vermutlich sagen: Merz hat eher trotz seiner Kommunikationsstrategie gewonnen – und nicht deswegen.


Mehr zum Thema hier im Blog und in dem Buch „Macht Marke„, das ich gemeinsam mit Lucas von Gwinner geschrieben habe. Einmal im Monat schreibe ich übrigens einen Newsletter.