Böse: Nido macht die Welt schöner als sie ist!

„Nido“ ist Pop, gerade dort, wo man sich dem Alltag annähern will, verselbstständigen sich die Images. In der Popwelt ist die Scheinhaftigkeit kein Problem, klar, dass es hinter der Bühne anders zugeht. Bei der Familie ist das anders. Entweder man durchschaut angenervt die Hochglanzlüge. Oder man leidet unter der eigenen Uncoolheit, dem unretuschierten Leben, der Dreimonats-Cholik, dem Dreijahres-Trotz, der immerwährenden Dreisamkeit. Der Nido-Pop wird daher keine Zukunft haben, er ist eine künstliche Synthese, eine instabile Verbindung aus Rebellion und Routine, ein Übergangszustand, in dem die Generationengrenzen zu verschwimmen scheinen.

Es gibt mal wieder eine Nido-Besprechung in einer deutschen Zeitung. Diesmal deckt Richard Kämmerlings in der Welt Die große Coolness-Lüge für pseudo-hippe Eltern auf. Sein Hauptargument lautet dabei – ähnlich wie unlängst in der FAZ: Das Leben (mit Kindern) ist viel schlimmer als Nido sagt! Die Schlussfolgerung: Deshalb ist Nido schlecht.

Ich bin schon gespannt auf die Nachfolge-Texte aus der Reihe: Der Einrichtungs-Schummel der Schöner-Wohner (normale Häuser sind viel hässlicher!), Der Betrug der Fit-for-Fun-Männer (Sport macht gar keinen Spaß und außerdem sind die meisten Jogger in Wahrheit viel dicker) oder auch Die Lüge der Pseudo-Mobilen (viele fahren viel schlechtere Autos als in Auto-Bild gezeigt)

P.S.: Der Text ist deshalb so ärgerlich, weil die Pop-Beobachtung ja stimmt. Nido will tatsächlich Pop sein. Was heißt das für unsere Vorstellung von Pop? Diese Frage hätte man beantworten können, das hätte ich spannend gefunden und nicht bloß anti pseudo-hip …

4 Kommentare

lieber dirk,
zugegeben, ich bin da etwas befangen, aber war der vorwurf des textes nicht einfach dieser: NIDO empfielt seinen erwachsenen lesern musik für erwachsene, die deren kinder sehr wahrscheinlich nicht hören wollen? ja. und? dieser logik folgend sollten du und ich auch nicht die wams lesen, denn was darin steht, will ja kein kind vorgelesen bekommen.

Lieber Dirk,

auch wenn in diesem Artikel viel verquaster Blödsinn steht: in dem von Dir angesprochenen Kern hat er nicht ganz unrecht. NIDO bedient natürlich eine Sehnsucht: Die Sehnsucht junger Eltern, auch mit Kind noch wild, cool und gefährlich leben zu können. Die Wirklichkeit sieht anders aus, wie ich als Vater eines drei Monate alten Sohnes, der gerade im Nebenzimmer schreit und nicht einschlafen will, berichten kann. Klar schreibt NIDO auch darüber, und dennoch gibt es dort für alles eine Lösung, auf jede Frage eine klare Antwort – und das ist im täglichen Umgang mit Kindern eben nicht so. Das heißt nicht, dass in dem Heft nicht manches Interessante und Nützliche steht. Dennoch funktioniert NIDO natürlich tatsächlich genau so wie die von Dir angesprochenen Zeitschriften. Man’s Health verkauft die Illusion vom schnellen Sixpack, Einrichtungshefte verkaufen die Illusion vom perfekten Heim usw. Gerade deshalb muss man dem WELT-Autor widersprechen, wenn er sagt: „Der Nido-Pop wird daher keine Zukunft haben.“

Hoffe der Sohn ist mittlerweile eingeschlafen, lieber Oliver!

Du hast damit natürlich recht. Die Welt ist anders als in Nido dargestellt. Aber um zu erfahren, wie die Welt ist, kaufe ich mir doch kein Magazin. Ich will doch mit Neuem inspiriert werden, Geglücktes (und natürlich auch Scheitern) lesen und interessante Modelle/Themen/Geschichten lesen. Und ich dachte, dass dies die Grundannahme von Magazin-Journalismus ist. Jedenfalls erwarte ich, dass ein Medienkritiker (so nennt man wohl die Leute, die solche Texte schreiben), darum weiß und nicht sein eigenes Erstaunen ausbreitet.

Deinem Sohn (und dann auch Dir) eine gute Nacht

Dirk

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