Im Interview für das Buch „Eine neue Version ist verfügbar“ sagte mir der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich dieses Sätze, von denen ich nicht dachte, dass ich sie mal unter ein Foto des Streaming-Dienst Twitch schreiben würde:
„Das Privileg des Atelierbesuches ist uralt. Das haben wir natürlich bei den Salonmalern im späten 19. Jahrhundert, da gab es einzelne Stunden in der Woche, in denen das Atelier öffentlich besuchbar war, natürlich nur gegen Voranmeldung, aber immerhin. In der Zeit der Hofkünstler war es üblich, dass der Herrscher jederzeit mal reinschauen durfte. Michelangelo versuchte, dem Papst zu verbieten, dass der sich vor Ort umguckt, wie die Fortschritte in der Sixtina sind. Das war ein Machtkampf.“
Der obige Screenshot stammt von einem Atelierbesuch – bei der Malerin zLadyLuthien, die auf Twitter als ElvishAtHeart aktiv ist. Sie nutzt den Dienst, der unter Gamern bisher bekannt war, weil man hier Live-Streams von Computerspielen verfolgten konnte, um Kunst erlebbar zu machen. Seit kurzem nämlich bietet Twitch ein Ressort für Kunst und Kultur. Der Kanal heißt Creative und trägt einer Bewegung Rechnung, die Bill Moorier von Twitch so beschreibt: „A couple years ago I started to notice a new type of stream happening. Broadcasters would get tired of gaming and fire up photoshop and start sketching game related art.“
Anders ausgedrückt: Kreative Menschen vernetzten sich und ihre Kunst im Erleben durchs Internet. Es ist sozusagen ein Atelierbesuch im Digitalen, ein Beweis für die These, dass die Digitalisierung aus Produkten Prozesse macht, dass das Erlebnis dem Ergebnis ergänzt wird. All das habe ich in Eine neue Version ist verfügbar beschrieben und mit dem Begriff Livejournalismus zu fassen versucht. Nun zeigt der Erlebnisdienstleister Twitch, der im Sommer 2014 von Amazon gekauft wurde, welche konkreten Optionen sich dadurch ergeben.