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Dieser Text ist Teil der Mai-Folge meines monatlichen Newsletters „Digitale Notizen“, den man hier kostenlos abonnieren kann.
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Seit ich mich für Fußball interessiere, höre ich die Bundesliga-Schlusskonferenz im Radio. Die Art, wie live, aber einzig akustisch aus Stadien berichtet wird, fasziniert mich – auch und gerade in Zeiten von Live-Tickern und TV-Streams. Alle Vorteile des Mediums Radio sind in der Live-Übertragung vom Fußball gebündelt. Aber eben weil ich davon begeistert bin, habe ich mich in dieser Saison von der Bundesliga-Schlusskonferenz im öffentlich-rechtlichen Radio verabschiedet. Das ist traurig (weil ich Radio-, Fußball- und Öffentlich-Rechtlicher-Rundfunk-Fan bin), aber auch bemerkenswert, so sehr, dass ich die abgelaufene Spielzeit festhalten muss – als die Saison, in der die Schlusskonferenz für mich zuende ging (dass dieses Ende mit dem Abstieg eines anderen Dinos einher geht, ist vermutlich eher Zufall).
Aus Gründen, die ich nicht einordnen kann, berichten die ARD-Radiosender, die die Schlusskonferenz übertragen, lediglich die letzten zwanzig Minuten kontinuierlich aus den Stadien. Den weit überwiegenden Teil des Spiels übertragen sie nicht. Sie schalten dann und wann mal zu einem Verein, aber eine durchgängige Berichterstattung bieten sie bei Bundesliga-Spielen nicht. Das ist schade, aber es gibt bestimmt Menschen, die darin eine Tradition sehen. Denn so war es ja schon immer – auch in dieser Saison.
Dass ich mich in dieser Spielzeit dennoch von der ARD-Schlusskonferenz verabschiedete, liegt höchstens indirekt am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dessen Schlusskonferenz ist weiterhin toll, aber in dieser Saison habe ich etwas entdeckt, was (für mich) noch toller ist: das ganze Spiel! Das klingt nicht sonderlich innovativ, aber aus Perspektive der Schlusskonferenz ist es ein Innovations-Durchbruch: Man kann nicht nur die letzten 20 Minuten in Konferenz übertragen, sondern das ganze Spiel! Internet-Radios machen das schon seit einer Weile, und wenn man den Satz von Radiomachern hört, schwingt darin immer einer gewisse Geringschätzung mit: Ganz so als seien „Internet-Radios“ (siehe dazu die Digitalen April-Notizen) keine echten, vollwertigen Radios.
Vielleicht war das früher mal so, in dieser Saison jedenfalls habe ich davon nichts gemerkt. Im Gegenteil: Als ich irgendwann zu Beginn der Saison (die Älteren erinnern sich: Dortmung legte fulminant los, die Bayern dümpelten vor sich hin) in diesem Internet-Radio erkannte, welcher Zauber in 90 Minuten Konferenz liegt, starb die Schlusskonferenz für mich. Denn obwohl ich mir aus öffentlich-rechtlicher Verbundenheit (allein zu den gewohnten Stimmen) stets vornahm, zur Schlussphase auf einen der ARD-Sender zu wechseln: ich vergass es jedes Mal und blieb im Internet-Radio.
Es machte Spaß. Ich hörte 90 Minuten am Stück Konferenz-Fußball, beim Joggen (manchmal), beim Aufräumen (selten) oder einfach nur so (meistens). Das Problem mit der Bandbreite, das ich vor ein paar Jahren außerhalb des Wlans noch hatte, gab es nicht mehr und aus der Schlusskonferenz wurde die Spielkonferenz. Denn im Stream gab es neben dem immer gleichen Hinweis auf den Anbieter keine Werbeunterbrechung, keine Gewinnspiele oder gesponsorte Tipp-Aktionen: es gab einfach nur Fußball im Stream. (zum Thema „Sorgen machen“ könnte man übrigens mal „Heute im Stadion“ im BR mit den Ohren eines Kindes hören. Dort wird jedes, jedes, jedes Mal für Schnaps geworben – „dank Ihrer Gebühren“)
Natürlich hat der Anbieter nicht nur die Konferenz im Programm. Vor allem bietet er: Einzelspiele im Audio-Stream. So hatte er mich gekriegt – mit dem Angebot, die Spiele des VfL Bochum (und, ja, auch die anderen unwichtigeren Begegnungen) in voller Länge anhören zu können. Das ist ein sehr einfaches, aber sehr tolles Angebot.
Legt man dieses Angebot neben das gelernte Modell der ARD-Schlusskonferenz ist man mittendrin in dem Wandel, den ich als „Ende des Durchschnitts“ beschrieben habe. Und dieser Wandel ist auch der Grund, der mich dazu bringt, so ausführlich über meinen Fußball-Konsum nachzudenken (nebenbei: das Verhältnis zwischen Sport-Machen und Sport-Konsumieren scheint ein Hebel zur Zufriedenheit zu sein). Denn natürlich könnte dieser Wandel auch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgehen. Die ARD-Sender bestimmen seit Jahren den Markt der Fußball-Übertragungen, sie sind Profis, besitzen starke Marken und tollen Inhalt – und doch haben sie zumindest mich in dieser Spielzeit verloren.
Das ist schade, denn ich mag den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich würde gerne Sport-Übertragungen meines Vereins in voller Länge bei einem der ARD-Sender anhören. Auch ein Verlinken des Streams in der Sportschau-App würde mir gefallen. Ich hätte gerne eine Spielkonferenz der öffentlich-rechtlichen Sendern, die 90 Minuten lang dauert. Ich würde mir wünschen, dass sie diese Entwicklungen selber vorantreiben und es nicht fremden Marken überlassen, hier besser Angebote zu entwickeln. Denn der Grund für meinen Abschied von der Schlusskonferenz hat einen Namen: Amazon. Die Firma, die mal als Buchversand begann, gestaltet gerade die Welt nach dem Ende des Durchschnitts – und lässt die traditionsreiche Schlusskonferenz dabei irgendwie alt aussehen. Das ist einerseits sehr schade, aber eben auch sehr schön.
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Dieser Text stammt aus dem monatlichen Newsletter Digitale Notizen, in dem man mir beim Denken zusehen kann.
In diesem Newsletter sind z.B. erschienen: „Altland“ (April 2018) „#smarterphone“ (März 2018) „Anleitung zum Unkreativsein“ (Januar 2018) „Newsletter über Newsletter“ (Dezember 2017), „Wir sind unbeugsam“ (Oktober 2017), „Unser Land – unsere Regeln“ (September 2017) „Selbstverpflichtung gegen den Terror“ (August 2017), „Freiheit zum Andersdenken“ (Juli 2017), „Was Medien vom Laufen lernen können“ (Mai 2017), „Fairer Teilen“ (März 2017) „Streiten lernen – für ein besseres Internet“ (Januar 2017), „Digitaler Heimat- und Brauchtumsverein“ (Oktober 2016), „Ein Dutzend Ideen für die Journalistenausbildung“ (September 2016) „Kulturpragmatismus“ (Juni 2016), „Denke kleiner“ (Februar 2016 ) „Social-Media-Gelassenheit“ (Januar 2016).
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